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Fristen und COVID

Die österreichische Justiz muss eine außergewöhnliche Situation bewältigen. Es stellen sich aufgrund der Ausgangssperren und Abstandsregelungen vielfältige Fragen. Die Regierung arbeitet gerade an einem Vorschlag, um verfahrensrechtliche Probleme zu lösen. Es liegt mit Stand 20.3.2020 ein Vorschlag zur Anpassung der Fristenregelung im Zivilverfahrensrecht, Exekutionsrecht, Insolvenzrecht und Strafrecht vor. Das Gesetz wurde am 21.03.2020 beschlossen und kundgemacht. Das Gesetz tritt weitgehend mit 31.12.2020 außer Kraft (BGBl. I Nr. 16/2020 [1]).

1 Fristenunterbrechung und -hemmung

In Zivilrechtsverfahren werden alle verfahrensrechtlichen Fristen, die bei Inkrafttreten des Gesetzes laufen oder danach beginnen, bis zum Ablauf des 30. 4. 2020 unterbrochen und beginnen danach mit  1.Mai 2020 neu zu laufen. Ausgenommen sind Verfahren über die Aufrechterhaltung freiheitsbeschränkender Maßnahmen. Auch Leistungsfristen werden nicht unterbrochen.

Ob eine Angelegenheit im Einzelfall aber dringend geboten ist, kann immer nur das zuständige Entscheidungsorgan beurteilen. Das Gericht soll daher aussprechen können, dass eine Frist nicht bis 30. April 2020 unterbrochen ist, sondern nur bis zu einem vom Gericht festzusetzenden früheren Zeitpunkt. Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar. Voraussetzung ist, dass die Fortsetzung des Verfahrens zur Abwendung einer Gefahr für Leib und Leben, Sicherheit und Freiheit oder zur Abwehr eines erheblichen und unwiederbringlichen Schadens einer Verfahrenspartei dringend geboten ist und dem nicht überwiegende Allgemeininteressen (Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, Aufrechterhaltung eines geordneten Gerichtsbetriebs) entgegenstehen.

Fristen, innerhalb deren das Gericht angerufen werden muss (zB Verjährungsfristen, Frist für die Besitzstörungsklage) werden insofern gehemmt, als die Zeit vom Inkrafttreten des Gesetzes bis zum Ablauf des 30. 4. 2020 nicht eingerechnet wird.

2 Verfahrensregeln

Unbedingt erforderliche Anhörungen oder Verhandlungen können in diesem Zeitraum auch ohne persönliche Anwesenheit über technische Kommunikationsmittel durchgeführt werden. Nach den Materialien kommen nicht nur Videokonferenzen, sondern ausnahmsweise auch einfache Telefonate in Betracht (397/A 27. GP 35).

Gerichtliche Erledigungen werden nur noch abgefertigt, wenn die Zustellung zur Abwendung einer Gefahr für Leib und Leben, Sicherheit und Freiheit oder zur Abwehr eines erheblichen und unwiederbringlichen Schadens einer Verfahrenspartei dringend geboten ist. Zustellungen über den ERV sind weiterhin vorzunehmen.

3 Verwaltungs- und Verfassungsgerichtsbarkeit

Für Verwaltungsverfahren und die Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, dem VwGH und dem VfGH sind vergleichbare Maßnahmen wie in Zivilsachen vorgesehen.

4 Exekution

Der Anspruch auf Aufschiebung der Exekution bei Naturkatastrophen (§ 200b EO) wird auf Epidemien und Pandemien erweitert.

5 Zustellung

Während des Zeitraums, in dem die Fristen unterbrochen sind, gilt eine Sonderregelung für die Zustellung von Dokumenten mit Zustellnachweis der Gerichte und Verwaltungsbehörden. Die Zustellung erfolgt durch Einwurf in das Postfach oder Zurücklassung an der Abgabestelle. Der Empfänger ist durch eine schriftliche, mündliche oder telefonische Mitteilung von der Zustellung zu verständigen.

Die Zustellung wird nicht bewirkt, wenn der Empfänger wegen Abwesenheit nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.