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Mystery Shopping – Zulässiger Beweis oder nicht, das ist hier die Frage.

Mystery-Shopping als Maßnahme der Gebietskrankenkassen gegen Sozialbetrug ist rechtsstaatlich überaus bedenklich. Bedenkliches ist aus dem Blickwinkel des Verfahrensjuristen jedoch nicht – automatisch – verboten.

Die Emotionen zum Mystery-Shopping der Gebietskrankenkassen sind hoch und die juristischen Befunde diverser Rechtsgutachten klar: Mystery-Shopping ist rechtlich unzulässig. Mag dies zweifelsohne zutreffen, darf man jedoch nicht übersehen, dass auch rechtlich Unzulässiges in Gerichts- und Verwaltungsverfahren als Beweismittel dienen kann. Rechtlich stellt sich daher die Frage, ob Beweiserhebungen von Mystery-Shoppern Grundlage einer gerichtlichen Entscheidung sein können – sowohl straf-, verwaltungs- wie auch zivilrechtlich.

Strafprozessuale Beweisverwertungsverbote

Ein Vertragsarzt, der aus Gefälligkeit vorsätzlich falsch befundet, drohen schwerwiegende strafrechtliche Konsequenzen. Beispielsweise führen falsche Krankmeldungen zu einem Vermögensschaden beim Arbeitsgeber des Patienten, und der Arzt macht sich wegen Betruges (§ 146 Strafgesetzbuch; „StGB“) strafbar. Werden Gefälligkeitsgutachten zur Vorlage bei Gerichten oder Behörden hergestellt, handelt es sich um Beweismittelfälschung (§ 293 StGB).

Liegt ein strafrechtlich relevantes Gefälligkeitsgutachten vor, stellt sich die Frage, ob ein Gericht den Arzt auf Basis dieses Gutachtens und der Aussage des Mystery-Shoppers strafrechtlich verurteilen darf. Gemäß § 5 Abs 3 Strafprozessordnung („StPO“) ist es grundsätzlich unzulässig, Beschuldigte oder andere Personen zur Unternehmung, Fortsetzung oder Vollendung einer Straftat zu verleiten. Jedoch konnte nach der gefestigten Rechtsprechung des OGH zufolge ein Angeklagter, der entgegen diesem Verbot zur Tat verleitet wurde, unter Verwendung der gewonnen Beweismittel, verurteilt werden!

Dieser sehr restriktiven Haltung erteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in einer neuen Entscheidung eine klare Absage: Mit Blick auf den Grundsatz des fairen Verfahrens nach Art 6 Abs 1 Menschenrechtskonvention verlangt der EGMR, dass alle aufgrund einer Provokation gewonnenen Beweismittel ausgeschlossen werden. Diese Vorgabe wurde von Österreich bis dato nicht erfüllt.

Um in Zukunft eine konventionskonforme Rechtslage herzustellen, wurde aber bereits eine Gesetzesänderung im Parlament verabschiedet. Der neue § 5 Abs 3 StPO (in Geltung ab 1.6.2016) regelt nunmehr, dass es unzulässig ist, Personen zur Begehung von strafbaren Handlungen in einer dem Grundsatz des fairen Verfahrens (Art 6 Abs 1 EMKR) widerstreitenden Weise zu verleiten, oder durch – wohl „private“ verdeckte Ermittler zu einem Geständnis zu verlocken.

Wird ein Arzt somit durch einen „Mystery-Shopper“ zu einer strafbaren Handlungen verleitet, ordnet in der Folge § 133 Abs 5 neu StPO an, dass die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung abzusehen hat.

Ergebnisse von unzulässigen „Mystery-Shoppern“ stellen daher strafprozessual (ab 1.6.2015) ein Verfolgungshindernis dar. Dem Arzt drohen somit grundsätzlich keine strafrechtlichen Folgen aufgrund von Gefälligkeitsgutachten, die von Lockspitzeln – ob Hauptverband oder durch die Exekutive – provoziert wurden.

Zivilrechtliches Beweisverwertungsverbot

Nach allgemeinem Schadenersatz haftet der Arzt der Gebietskrankenkassa für ein Gefälligkeitsgutachten, wenn diese aufgrund des Gutachtens einen Schaden erleidet (zB indem sie Krankengeld auszahlt). Trotzdem der Einsatz von Mystery-Shoppern grundsätzlich unzulässig ist, begründet dies nicht automatisch ein Beweisverwertungsverbot nach der Zivilprozessordnung (ZPO).

Ein Beweismittel ist nach der ZPO nur dann unzulässig, wenn seine Benützung ausdrücklich verboten ist. Die ZPO kennt keine dem § 5 Abs 3 StPO ähnliche Bestimmung, nach der Ergebnisse von Lockspitzeln nicht verwertet werden dürfen. Verstößt eine Partei des Zivilprozesses nicht gegen strafprozessuale Bestimmungen, sondern „nur“ gegen sonstige Bestimmungen, kann das Gericht den Beweis verwerten.

Ergebnisse von Lockspitzeln können daher zivilprozessual verwertet werden.

Verwaltungsrechtliches Beweisverwertungsverbot

Das Ausstellen von Gefälligkeitsgutachten kann auch verwaltungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. In den seltensten Fällen besteht bei mehrfachen Verstößen die Möglichkeit für die Gebietskrankenkassen, den Einzelvertrag zu kündigen (§ 343 ASVG). Viel eher drohen dem Arzt standesrechtliche Konsequenzen (§ 55 ÄrzteG), vor deren Geltendmachung Ärzte momentan aber politisch gewappnet sind. Im Moment findet sich keine Ärztekammer, die Ergebnisse unzulässiger Lockspitzel standesrechtlich pönalisiert.

Rein verwaltungsrechtlich wäre die Beweisverwertung jedoch zulässig: Auch das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) kennt – ähnlich wie die ZPO – keine ausdrücklichen Beweisverwertungsverbote, wonach Ergebnisse von Lockspitzeln unzulässig sind. Der Verwaltungsgerichtshof führte aus, dass ein durch Rechtsverletzung zustande gekommenes Beweismittel nur dann nicht verwertet werden darf, wenn die Verwertung gesetzlich verboten ist (was ein Mystery-Shopper nach den verwaltungsrechtlichen Bestimmungen nicht ist) oder im Widerspruch zu jenem Zweck steht, dem die verletzte Rechtsvorschrift zu dienen bestimmt ist. Im Sinne des verwaltungsrechtlichen Grundsatzes der Unbeschränktheit der Rechtsmittel, wären Ergebnisse von Lockspitzeln daher verwaltungsrechtlich verwertbar, wobei dies einen Wertungsspruch gegenüber den strafrechtlichen Bestimmungen darstellt. Im Sinne der neuen EMRK-Entscheidung, stellt sich die Frage, ob diese Rechtsprechung so aufrecht erhalten bleibt.

Zusammenfassung

Der Einsatz von Mystery-Shoppern durch Sozialversicherungsträger ist unzulässig. Diese Unzulässigkeit führt jedoch nicht automatisch dazu, dass die Ergebnisse des Lockspitzeleinsatzes nicht verwertbar sind. Stellt ein Arzt einem Lockspitzel ein Gefälligkeitsgutachten aus, findet sich lediglich in der StPO ein ausdrückliches Beweisverwertungsverbot. In Zivil- und Verwaltungsverfahren hingegen ist das Gefälligkeitsgutachten verwertbar und daher gegen den Arzt verwendbar.


DDr. Karina Hellbert ist Rechtsanwältin bei Fiebinger Polak Leon Rechtsanwälte GmbH und Leiterin des Bereichs Life Sciences / Pharma Recht.

Mag. Paul Kessler ist Rechtsanwaltsanwärter bei Fiebinger Polak Leon Rechtsanwälte GmbH und spezialisiert im Bereich Medizin- und Krankenanstaltenrecht.